Deutsche Flagge Englische Flagge

04.11.2013

"Es gab zu wenig Beitz!" Brauchen wir mehr Manager vom Typ Berthold Beitz?

Überlegungen anlässlich der Diskussionsveranstaltung „Berthold Beitz – Eine Jahrhundertbiografie” am 11.09.2013 in der „Katholischen Akademie DIE WOLFSBURG“ in Mülheim an der Ruhr.

Es war ein spannender Abend, als Joachim Käppner in der WOLFSBURG referierte und mit den Gästen diskutierte, die zur Veranstaltung über Berthold Beitz gekommen waren. Joachim Käppner ist Journalist der Süddeutschen Zeitung und veröffentlichte 2010 die Biographie „Berthold Beitz”. Im Laufe des Abends wurde die Frage gestellt, „ob es bei ThyssenKrupp zu viel Beitz gab?”, worauf Käppner antwortete: „Es gab zu wenig Beitz”.

Das ist eine bemerkenswerte Aussage und ein deutlicher Wegweiser. Als Unternehmens- und Personal­entwicklerin hat mich dieser Schlüsselsatz „verfolgt” und zu einigen Fragestellungen geführt:

Was hat Berthold Beitz so erfolgreich werden lassen? Wie lautete seine Philosophie und was waren seine Prinzipien? Was hat ihn ausgezeichnet und wieso wurde er zu solch einem hochgeschätzten Vorbild und viel geehrten „Jahrhundertmann”? Diese Aspekte interessieren uns im Hinblick auf:

die Führungsethik,
das Führungspersonal, welches in Verantwortung steht,
die Führungspersönlichkeiten, die die Zukunft von Organisationen gestalten, die Prägung von Unternehmenskulturen,
die Realisierung von Unternehmensstrategien.

Verbindet man aktuelle Themen- und Handlungsfelder in der Personal- und Managemententwicklung mit Aussagen und Informationen über Berthold Beitz, so ergeben sich folgende Grundpfeiler und Gegenpole:

Soziale Verantwortung – Humankapital
Berthold Beitz Lebensinhalt war sein Versprechen an Alfred Krupp. Er kümmerte sich um den Fortbestand der Firma und pflegte die Kruppschen Ideale. Diese waren geprägt von sozialer Verantwortung und dem Miteinander von Belegschaft und Eigentümer. Das entsprach auch Beitz eigenen Prinzipien. „Die Fähigkeit zum Konsens innerhalb des Betriebs ist für ihn kein Ballast ..., sondern eine Frage des gesunden Menschenverstandes.”1) Auch Hannelore Kraft würdigte auf der Trauerfeier den Einsatz von Beitz für eine „funktionierende Sozialpartnerschaft”. Für Beitz gab es keine Klassen­gesellschaft und kein „von oben herab”. Er vermittelte auch den einfachen Arbeitern, dass sie wichtig für die Firma waren, Aufstiegs­möglichkeiten hatten und sich ihre Mühe lohnen würde.

Moral – Kapital
„Die Erfüllung moralischer Pflicht hat Vorrang vor der Mehrung des eigenen Wohlstandes”, so formuliert es Helmut Schmidt in dem Vorwort zu Käppners Beitz Biografie. Berthold Beitz war ein Mensch mit hohen moralischen Ansprüchen und preußischer Disziplin. Maßlosigkeit und die Gier nach Macht und Geld waren ihm fremd, mehr noch, er hielt das große Abkassieren des Spitzenpersonals für sozial und moralisch verwerflich. „Sein Blick hat stets weiter gereicht als bis zum nächsten Pendeln der Börsenkurse .”2)

Instinkt – Führungsinstrumente
Beitz war ein Mann der Tat. Daher mochte er weder den Ausdruck „Manager”, noch die Managersprache. Er folgte seinem eigenen moralischen Kompass und seinem Bauchgefühl. „Der Instinkt ist mein wichtigster Ratgeber” sagte Beitz und „Wenn ich in einen Raum komme, weiß ich zu 80 Prozent, wie die Verhandlungen laufen”.

Mut – Macht
Berthold Beitz fühlte sich auf der Kommandobrücke wohl. Nicht weil sich dort das Machtzentrum befand, sondern weil er den Mut besaß, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Deshalb zitierte er wohl auch gerne den größten Staatsmann Griechenlands, Perikles: „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.”

Für Joachim Käppner, den Beitz-Biograph, passt das Perikles-Zitat ganz genau auf den Krupp-Lenker. „Sein Lebensweg zeigt, was ein Mensch erreichen kann, der die Freiheit des Handelns mit Mut und Verantwortung nutzt.”3)

„... mehr Mut, mehr Verantwortungsbewusstsein, mehr Beitz”
Tatkraft, soziales Handeln, Verantwortungsbewusstsein und Mut scheinen grundlegende Persönlichkeitsmerkmale von Berthold Beitz gewesen zu sein. Nicht ohne Grund wünschte unserer Bundespräsident Joachim Gauck, anlässlich der Trauerfeier von Berthold Beitz, jungen Führungskräften „mehr Mut, mehr Verantwortungsbewusstsein, mehr Beitz”.

Und da haben wir es wieder: zu wenig Beitz – mehr Beitz! Was brauchen Manager heute, was Beitz hatte, und funktioniert das in jetzigen Zeiten noch? Tatsächlich scheinen viele Prinzipien von Berthold Beitz auch in der heutigen Unternehmenskultur wertvoll und notwendig zu sein.

Letztendlich stellen wir uns die Frage, wie viel und wie „Beitz” in Trainings für Geschäftsführer, Projektleiter, Führungskräfte und Personalleiter integriert werden kann? Denn klar ist, Berthold Beitz war nicht der „letzte Krupp”, wie ihn manche nannten, sondern der „letzte Beitz”, wie er dann stets zu korri­gieren pflegte. Es ist an uns, „viel Beitz” in diesem Jahrhundert zu finden und zu prägen – diesen Stellenwert wieder als Möglichkeit zu denken und in den Grundpfeilern von Organisationen durch Menschen erlebbar und erfahrbar zu machen.

  1. Käppner, Joachim, Berthold Beitz Die Biografie, Piper München Zürich, 2013, S. 527
  2. Käppner, S. 526  
  3. Käppner, S. 532